Mythos #24: Likes und Shares sind ein zuverlässiges Maß für Beliebtheit.
Ulrike Klinger

Mythos: Likes, Shares, Klicks, Follower*innen-Zahlen und andere quantitative Maßzahlen in sozialen Medien sind ein zuverlässiges Maß dafür, wie beliebt, berühmt oder erfolgreich jemand oder etwas ist. Eine wachsende Zahl von Likes oder Follower*innen ist immer ein positives Feedback und ein verlässlicher Trendindikator.

 

Stimmt’s? Ein weit verbreiteter Glaube besagt, dass Likes, Shares oder die Zahl der Follower*innen und „Freunde“ in sozialen Medien ein Ausdruck von Beliebtheit sind. Im Marketing hält man sie für die Kurzformel zur Messung des Erfolgs einer Marke oder einer Person. Eltern und Lehrer sorgen sich um die Besessenheit von Jugendlichen, wie viele Herzen sie auf Instagram bekommen. Im Wahlkampf messen Journalist*innen den Mobilisierungserfolg von politischen Parteien und Kandidaten durch Gegenüberstellung von Follower*innen und Reaktionen. Die Idee, dass quantifizierbare soziale Indikatoren ein einfacher Weg zur Messung von Beliebtheit sind, hat durchaus ihren Reiz. Leider jedoch trifft dies nicht zu, denn diese Indikatoren sind a) sehr leicht zu manipulieren und b) bedeuten sie je nach Kontext und Plattform unterschiedliche Dinge.

Die Idee von Likes, Shares und einer großen Anzahl von Followern als Indikatoren für Beliebtheit hat Menschen und Organisationen veranlasst, diese Zahlen zu beschönigen. Mithilfe automatisierter Accounts („Social Bots“), Trollen, Aktivist*innen und gefälschten Accounts ist es sehr einfach, Beliebtheitswerte vorzutäuschen und etwas oder jemanden „beliebter“ erscheinen zu lassen (# 30). Tatsächlich berichten Social-Media-Plattformen, dass sie Jahr für Jahr Milliarden dieser gefälschten oder böswillig manipulierten Konten löschen. Jeder kann problemlos und für sehr wenig Geld Likes, Shares oder Follower*innen kaufen. Dies ist gängige Praxis und verwandelt Beliebtheitswerte in leere Hülsen. In der politischen Mobilisierung wurde dieses Phänomen als „Astroturfing“ bezeichnet, als Vortäuschen von Beliebtheit und Graswurzelmobilisierung mit künstlicher Aktivität und gefälschten Accounts.

Likes und Shares sind in sozialen Medien allgegenwärtig. Wir alle liken oder teilen etwas mehrmals am Tag und hoffen, dass unsere Beiträge Likes und Shares von unserem imaginären Publikum erhalten. Es stellt sich heraus, dass es den Menschen wichtiger ist, wer Likes und Shares vergibt, als wie oft dies geschieht: Am wichtigsten sind enge Freunde, Ehepartner*innen und die Familie. Likes signalisieren Bestätigung, aber nicht immer Zustimmung oder Akzeptanz. Im Fall politischer Parteien folgen Social Media-Nutzer*innen in der Regel nicht nur einer, sondern mehreren Parteien, und Cross-Posting über mehr als nur eine politische Gruppierung ist durchaus üblich. Oftmals teilen Menschen Inhalte, ohne sie vorher überhaupt zu lesen (Clickbait!), und sie teilen und kommentieren Beiträge, die sie entschieden ablehnen. Tatsächlich erzeugen kontroverse Inhalte oft ein hohes Maß an Interesse – viele Likes, Shares und Kommentare, aber keinesfalls aufgrund von Beliebtheit oder Zustimmung.

 

Stimmt also nicht! Die Zahl der Likes, Shares, Follower oder Kommentare ist nur sehr eingeschränkt aussagekräftig im Sinne einer Signalisierung von Zustimmung, Reichweite, Engagement oder Interaktion. Dieses Feedback ist nicht unbedingt und immer positiv. Es kann Beliebtheit bedeuten, könnte aber auch darauf hinweisen, dass etwas oder jemand sogar unbeliebt oder höchst umstritten ist. Diese Zahlen sind leicht zu manipulieren und sollten nicht überbewertet werden.

 


Quelle: Lauren Scissors, Moira Burke, Stephen Wengrovitz, What‘s in a Like?: Attitudes and behaviors around receiving Likes on Facebook. CSCW ‘16 Proceedings of the 19th ACM Conference on Computer-Supported Cooperative Work & Social Computing (2016), https://dl.acm.org/citation.cfm?id=2820066; Pablo Porten-Cheé, Jörg Haßler, Pablo Jost, Christiane Eilders, Marcus Maurer, Popularity cues in online media: Theoretical and methodological perspectives. Studies in Communication and Media 7 (2018) 2, 208‑230.